Auf die Frage, wer ich bin, könnte ich verschieden antworten. Es hängt nämlich davon ab, wer mir diese Frage stellt. Würde mich eine fremde Person fragen, wer ich bin, würde ich sagen: Ich bin Kristina V., bin 16 Jahre alt, wurde in Villach geboren und bin hier auch aufgewachsen.

Doch manchmal frage ich mich auch selbst, wer ich bin. Dann antworte ich selbstverständlich nicht mit meinen Namen und meinen persönlichen Daten. Nein, wenn ich mich selbst frage, wer ich eigentlich bin, meine ich gleichzeitig auch Fragen wie „Wieso bin ich genau so wie ich bin?“ und „Wieso bin ich genau hier geboren?“ oder „Was sind meine Absichten in diesem Leben?“ Fragen, von denen ich überzeugt bin, dass sie viele Menschen sich selbst stellen. Insbesondere Kinder und Jugendliche, deren Eltern Migranten sind, und sie selbst in einem anderen Land als ihre Familienangehörigen aufgewachsen sind. So ein Kind bin ich auch. Meine Eltern kommen nämlich aus dem ehemaligen Jugoslawien, heute Bosnien, und leben schon seit 1992 hier in Österreich. Ich bin also hier geboren und auch aufgewachsen. Seit 2007 besitzen meine Mutter und gleichzeitig auch ich und meine jüngere Schwester, die österreichische Staatsbürgerschaft. Somit bin ich auch „rechtskräftig“ österreichische Staatsbürgerin. Doch was ich mich frage ist: „Bin ich das wirklich?“ Denn trotz dieser Staatsbürgerschaft, und der Tatsache, dass ich hier geboren bin, fühle ich mich anders.Ich gehe mittlerweile schon in die 6. Klasse Gymnasium und bin eine von 2 Schüler/Innen, deren Eltern nach Österreich emigriert sind. Ich fühle mich von meiner Klasse großteils schon akzeptiert. Da und dort höre ich manchmal ein paar ausländerfeindliche Sprüche von meinen Klassenkameraden, doch damit hab ich mich über die Jahre abgefunden, da ich weiß, dass die meisten es nicht wirklich ernst meinen. Was meinen Freundschaftskreis anbelangt, habe ich die meiste Zeit meines Lebens mit österreichischen Freunden verbracht. Und es sind auch nie wirklich Verständigungsprobleme aufgetreten. Ich habe mich mit den Österreichern immer gut verstanden. Seit circa 2 Jahren aber habe ich auch einen Freundschaftskreis aufgebaut, der aus Menschen besteht, deren Eltern auch aus dem ehemaligen Jugoslawien kommen. Diese Menschen können also die gleiche Sprache wie ich, haben die gleiche Kultur und großteils auch die gleiche Religion. Und obwohl ich mit diesen Menschen sehr ähnliche Dinge unternehme, wie mit meinen österreichischen Freunden, fühle ich mich doch anders in dieser Gruppe. Ich fühle mich einfach freier, sorgloser und selbstsicherer, weil ich mir bei diesen Menschen sicher bin, dass sie mich nicht verurteilen würden. Wenn ich mich einmal versprechen würde oder einfach typisch österreichische Sachen nicht kennen würde, sie würden mich verstehen, weil sie so ähnlich wie ich aufgewachsen sind. Mit diesen Leuten spüre ich dieses Heimatgefühl einfach viel intensiver als mit Freunden, deren Eltern den gleichen Geburtsort wie sie selbst haben. Obwohl ich nicht in Bosnien geboren bin, verbinde ich trotzdem meine Heimat damit, weil dort einfach meine Wurzeln liegen. Und es ist wichtig, diese Wurzeln weiterhin zu pflegen und sie nicht zu vernachlässigen. Trotzdem würde ich auch in Österreich meine Heimat sehen, weil ich hier den Großteil meines Lebens verbracht habe.Manche Menschen, die ich kenne, welche auch einen Migrationshintergrund haben, sagen, dass sie sich überall als Ausländer sehen, weil sie egal wo sie sind, immer anders als die anderen Menschen sind und nirgends ihrer wirkliche Heimat liegt. Dies würde ich aber nicht sagen, denn ich empfinde so, dass ich 2 Heimatorte habe, und dass beide ein großer Teil meines Lebens sind. Ich fühle mich so, als hätte ich zwei Leben. Eines hier in Österreich, wo ich mich auch an die Leute hier anpasse, aber auch eines in Bosnien, wo ich mich an die Menschen die dort leben anpasse. Und an beiden Orten fühle ich mich wohl. Ich bin auch davon überzeugt, dass wenn ich in der Zukunft ganz wo anders leben würde, vielleicht sogar am anderen Ende der Welt, ich dort ein Zuhause finden würde und mich wohl fühlen könnte. Dies würde aber nur gelingen, wenn mich diese Menschen akzeptieren und mich an ihrer Kultur und Sprache teilnehmen lassen. Denn meiner Meinung nach kann man dieses „Heimatgefühl“ überall auf der Welt empfinden, wenn man von der Umgebung in der man lebt akzeptiert und angenommen wird. Dafür aber ist beidseitiger Respekt und Empathie, sowohl der Einheimischen als auch der Zuwanderer notwendig, um ein friedvolles und angenehmes Leben für alle Menschen.