Publikation   Migration und Integration  Müller Christa

„Wurzeln schlagen in der Fremde“
von Christa Müller

Die Internationalen Gärten und ihre Bedeutung für Integrationsprozesse
Gemeinschaftsgärten gibt es auf der ganzen Welt. In den 90-er Jahren entwickelte sich während des Bosnienkrieges eine Sonderform dieser Community Gardens, die sogenannten „Internationalen“ oder auch „Interkulturellen Gärten“. Ausgehend von einer Initiative bosnischer Flüchtlingsfrauen, die ihr Leben im Exil wieder selbst in die Hand nehmen wollten, sind diese Gärten mittlerweile auch in Österreich fixer Bestandteil eines jeden innovativen Stadtentwicklungskonzeptes. Die Soziologin Christa Müller präsentiert auf eindrucksvolle Weise die Erfolgsstory dieses gelungenen Integrationsprojekts.
Vor allem Flüchtlinge, die aus Agrarkulturen stammen, empfinden es als entwürdigend, nichts zum Lebensunterhalt beitragen zu können. Ihnen werden kleine Parzellen zugewiesen, auf den sie ihr eigenes Gemüse anbauen können. Über die Berührung von so elementaren Dingen wie Erde und Pflanzen entstehen neue Verbindungen und Verwurzelungen. Der ressourcenorientierte Ansatz hilft, dass Migranten hier nicht über ihre Defizite, sondern ihre Kompetenzen wahrgenommen werden. Integration wird hier verstanden, als Entstehung eines differenten Ganzen, als Prozess des wechselseigen Aufeinander zu Gehens. Für viele MigrantInnen eröffnet sich durch die Zugehörigkeit zu einen Internationalen Garten ein Weg aus der Isolation. Das niederschwellige Angebot erlaubt außerdem auch ein entspanntes Nebeneinander. Dieses Konzept stellt weiters eine Schnittstelle zum biologischen Gartenbau mit diversen handwerklichen, ökologischen und umweltbewusstseinsbildenden Aktivitäten dar.
Neben fundierten wissenschaftlichen Hintergrundinformationen bietet das Buch auch die Auswertung der Projektpraxis sowie einen großen Serviceteil, der als Arbeitshilfe zum Nachmachen konzipiert ist. Es zeigt sich, dass Integration dann aussichtsreich verläuft, wenn die Zugewanderten die Alltagskultur im Aufnahmeland mitgestalten können, und ihnen so eine neue Verwurzelung gelingt.

Die Autorin
Dr. Christa Müller, Studium der Soziologie und Politikwissenschaft an den Universitäten Bielefeld, Marburg, Berlin und Sevilla, Forschungsaufenthalte in Costa Rica, Mexiko und Westfalen, 1997 Promotion zum Dr. rer. Soc. An der Universität Bielefeld, Mitbegründerin des Instituts für Theorie und Praxis der Subsitenz; seit 1999 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgesellschaft anstiftung in München, Lehrbeauftragte an der Universität Innsbruck, 1998 Schweisfurth Forschungspreis für Ökologische Ökonomie; seit 1999 Begleitforschung in Internationalen Gärten

Gedanken aus dem Buch
UMGRABEN
Der Boden der Gärten wird umgegraben, er wird für die Aussaat vorbereitet. Auch Menschen werden durch Krieg, Flucht und den Verlust von Heimat „umgegraben“. Sie versuchen, neue Wurzeln zu schlagen.
SÄEN
Mit der Anzucht von Setzlingen werden in den Gärten auch Kontakte und Freundschaften „gesät“.
WACHSEN UND PFLEGEN
Gemüse und Kräuter sprießen. Die Pflanzenpflege entlastet von Alltagssorgen. Sie wirkt heilend und setzt neue Identitäten frei. Beim Umgang mit Erde und Pflanzen können wir eine gemeinsame „grüne“ Sprache finden. Es wachsen Freundschaften und neue Fähigkeiten. Die Zusammenarbeit der Familien aus vielen Kulturräumen lässt unsere Persönlichkeit wachsen. Sie helfen beim Gießen und Jäten und legen ihre eigenen Beete an.
ERNTEN UND TEILEN
Die Ernte wird mit Freunden und Nachbarn geteilt. Ernten und Teilen gehören zusammen. Großzügigkeit, Gastlichkeit, Toleranz und Respekt bestimmen das Zusammensein. Das Projekt sucht Antworten auf die Sehnsucht der Menschen nach Natur, Kultur und sozialer Nähe.