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FINNEY Liz,48: Die Lehrerin und Laienmusikerin ist 2008 von Großbritannien nach Villach gekommen. Fünfeinhalb Jahre später hat sie ein aktives Leben für sich aufgebaut: sie unterrichtet Englisch, übersetzt und spielt Geige in Laienorchestern. Sie freut sich über die Herausforderung, Deutsch zu lernen, und auch über das soziale Leben und die sportlichen Möglichkeiten, die Kärnten bietet.
Ich stamme aus einer Stadt etwa 50 km südwestlich von London. In der Schule habe ich Fremdsprachen gern gelernt und mit vierzehn Jahren habe ich an einem Schüleraustausch mit einem Gymnasium in Ingolstadt in Bayern teilgenommen. Ich habe auch bei einer Familie in Duisburg gewohnt. Meine Eltern haben mich nie ins Ausland mitgenommen, als ich klein war, also bin ich später nach der Schulzeit allein und mit Freundinnen durch Europa gereist. Es hat mir Spaß gemacht zu versuchen, in fremden Sprachen zu reden, trotzdem habe ich nie gedacht, dass ich tatsächlich später in einer Stadt auf dem europäischen Kontinent leben würde. Hätte man mich gefragt, ob ich das je machen würde, dann hätte ich geantwortet, dass es zu schwer wäre.
Im Rahmen eines Universitätsprogramms musste ich eine Zeit lang in Italien sein, und ich habe für mich Bologna gewählt. Ich habe bei einer Familie in einem Appartment gewohnt und Englisch unterrichtet, wenn ich nicht Zeit mit Bekannten verbracht habe oder Arbeiten für die Universität schreiben musste. Bologna war die größte Stadt, in der ich je gelebt habe, und es war gar nicht immer leicht, als junge ausländische Frau ganz allein zu sein. Die meiste Zeit war ich mit Menschen aus meinem Viertel zusammen, die alle Italiener waren; deshalb habe ich kein Englisch gesprochen und italienisch schnell beherrscht. Seit der Schulzeit hatte ich nicht Geige gespielt, was sehr schade war, denn es wäre ein leichtes gewesen, neue Leute kennen zu lernen.
Noch als Studentin habe ich meinen Mann kennengelernt. Da in Bologna zu leben, nicht leicht gewesen war, plante ich immer noch nicht, im Ausland zu leben. Aber nachdem wir mehrmals Frankreich besucht hatten, gefiel uns das Land sehr gut und wir begannen, über eine Übersiedlung dorthin nachzudenken. Dann hat mein Mann einen Job bekommen, und wir sind nach Toulouse in Südwestfrankreich gezogen. Wir haben unser Haus in Manchester gemietet. Toulouse liegt in einer sehr historischen Gegend und die Berge und das Meer waren recht nah. Die Sprache war nicht schwierig, und ich habe Skifahren in den Pyrenäen gelernt. Ich habe Englisch unterrichtet und meine Arbeitskolleginnen waren native Speaker.
Später zurück in England unterrichtete ich Französisch und Deutsch in weiterführenden Schulen. Dann habe ich einen neuen Job bekommen: ich fuhr in verschiedene Schulen und habe Geige, Klavier und Gitarre unterrichtet. In der Zeit habe ich in 'Pubs' gespielt und außerdem mit einem Amateurorchester, was sehr viel Spaß gemacht hat. Manchmal haben wir darüber geredet, wieder im Ausland zu leben, und nach 11 Jahren in Großbritannien haben wir eine neue Herausforderung gewollt und sind im Juli 2008 nach Villach übersiedelt.
Im Ausland zu leben in einer Stadt, in der ich niemanden kannte, war diesmal viel leichter und da ich etwas Deutsch ja schon sprechen konnte, bin ich mit den Behörden zurecht kommen. Ich habe in einer Abendschule für Erwachsene im Stadtzentrum von Villach in meinem ersten Jahr hier unterrichtet und habe bei einem Makler gearbeitet. Außerdem habe ich einen Englischkurs beim Bundesheer in Spittal an der Drau gegeben. Seit September 2010 bin ich in Volksschulen tätig: ich biete freiwilligen Unterricht in einer Volksschule und auch bei einem Kinderbetreuungsprojekt im Sommer an, während ich weiterhin Erwachsene unterrichte und berufsmäßig Texte übersetze vom Deutschen ins Englische. Seit kurzem bin ich in privaten Firmen in Villach tätig und unterrichte Angestellte; dadurch bin ich momentan stark beschäftigt, was mir sehr gefällt. Im Juli 2012 habe ich meine ÖSD- B2 Prüfung mit Auszeichnung bestanden. Meine Erfahrung ist: wenn man hart arbeitet und verlässlich ist, dann kann man viel erreichen. Aber man muss außerdem Menschen kennenlernen, weil persönliche Empfehlungen in dieser Stadt sehr wichtig sind. Und die Menschen die ich unterrichte, können mir über die österreichische Kultur und das Leben hier erzählen und sie sagen mir, wie ich verschiedene Sachen machen sollte. Kurz nachdem ich hergekommen bin, bin ich zur meiner ersten Orchesterprobe gegangen und die Mitglieder haben mich freundlich aufgenommen. Da wir alle ein gemeinsames Hobby haben und Musik eine internationale Sprache ist, war das ein sehr positives Experiment.
Im Großen und Ganzen sind die Leute hier sehr freundlich und nett: Nachbarn und Bekannten sind allgemein großzügiger als in Großbritannien. Ich glaube, es ist ziemlich leicht für uns Engländer, da unser Land ein positives Bild hier hat. Wir sind EU-Bürger, es gibt keine Immigrantenprobleme und fließendes Englisch zu sprechen ist ein großer Vorteil. Und andererseits sprechen und schreiben wir beide ziemlich gut Deutsch und darum war es möglich, sich gut zu integrieren. Wenn man ihre Sprache beherrscht, reden die Menschen gewöhnlich sehr gerne mit einem. Einwanderer, die nur Englisch aber kein Deutsch sprechen, sagen, dass man auch nur mit Englisch gut durchkommt; aber ich glaube, das muss sehr stressig sein. 
Österreich ist sehr bürokratisch, aber ein gut organisiertes Land und bietet eine große Auswahl an sportlichen Aktivitäten. Die Landschaft ist schön, ich fahre gern Ski und nehme an "Kärnten Läuft" jedes Jahr teil (ein großer Laufevent in Klagenfurt). Es scheint, als ob die politische Situation in Kärnten sich endlich verbessert. Wenn Großbritannien die EU in der nächsten Zeit verlassen würde, würde ich die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen wollen. Mittlerweile haben wir ein kleines Haus hier gekauft und haben vor, in Villach zu bleiben.                                                       20.1.2014

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