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STEFAN aus einem Drittstaat, 33: Der gelernte Kellner arbeitet seit vielen Jahren als Stamm-Saisonier im Gastgewerbe. Er würde sich gerne dauerhaft in Österreich niederlassen und mit seiner Familie ein normales Leben führen können. Bisher wurde jeder seiner Anträge abgelehnt.

Ich hätte mir nie gedacht, dass ich einmal so mutlos sein würde. Ich bin immer zuversichtlich gewesen, dass man alle Hürden meistern kann, wenn man gerne arbeitet, eine positive Lebenseinstellung hat und sich einwandfrei verhält. Aber jetzt weiß ich langsam nicht mehr weiter.

In meiner Heimat habe ich nach der Schule eine Ausbildung zum Kellner gemacht und diese Ausbildung mit einem Diplom abgeschlossen. In Österreich wird der Bedarf im Gastgewerbe von Einheimischen nicht abgedeckt. So hat mich bereits mein allererster Job nach Österreich geführt. Anfangs habe ich in der Sommersaison in Kärnten gearbeitet und in der Wintersaison in Tirol. Seit vielen Jahren bin ich nun schon das ganze Jahr über in Kärnten, immer im selben Betrieb, der mich ganz gezielt beim AMS anfordert. Das geht, weil mein Status schon vor langem von Saisonier auf Stamm-Saisonier aufgewertet wurde.

Mein Hauptproblem ist, dass ich mich nicht niederlassen darf. Als Saisonier darf ich maximal sechs Monate am Stück in Österreich arbeiten, dann muss ich wieder einen Monat zurück in meine Heimat. Übers Jahr gesehen darf ich maximal zehn Monate in Österreich arbeiten und muss zweimal einen Monat außerhalb der EU pausieren. So geht das nun seit 15 Jahren.

Meine Frau habe ich in meiner Heimat kennengelernt. Sie ist auch Stamm-Saisonier, wir haben immer in denselben Betrieben gearbeitet. Vor einigen Jahren haben wir uns unseren größten Wunsch erfüllt und nach langem Zögern eine Familie gegründet. Unser Kind ist hier in Österreich geboren, es ist hier in Österreich über uns Eltern versichert. Aber es darf sich hier offiziell nur mit einem Touristen-Visum aufhalten, das auf drei Monate ausgestellt ist. Danach müsste es sich mindestens drei Monate in unserer Heimat aufhalten.

Unser Kind geht hier in den Kindergarten und Gott sei dank fragt niemand nach dem Aufenthaltsstatus. Aber irgendwie schwingt bei uns Eltern immer die Angst mit, es könnte kontrolliert werden und unser Kind müsste das Land verlassen. Für unser Kind ist Österreich die Heimat, es wächst hier auf, es wird hier sozialisiert. In wenigen Jahren kommt es in die Schule. Wird es hier in die Schule gehen können? Wie soll das funktionieren, wenn wir zwei Monate im Jahr das Land verlassen müssen? Und zwar nicht während der Ferienzeit, denn das ist im Gastgewerbe die Hauptsaison.

Das fehlende Niederlassungsrecht hat viele Auswirkungen auf unser tägliches Leben. Ein einfaches Beispiel ist das Handy. Ohne Hauptwohnsitz kann ich nicht einmal einen Handy-Vertrag abschließen, nur Prepaid Karten gehen. Oder jemand, der ortsansässig ist, meldet in seinem Namen für mich ein Handy an und ich bezahle dieser Person die monatlichen Gebühren. Noch mehr Schwierigkeiten gibt es bei der Umtypisierung des Autos. Aber das sind nur ein paar Beispiele.

Eine andere Sorge beschäftigt mich zunehmend: Noch bin ich einigermaßen jung und gesund. In den zwei Monaten der Zwangspause sind meine Familie und ich nicht versichert. Aber selbst während meiner versicherten Phase, was ist, wenn ich krank werden sollte? Ein Freund von mir, Saisonier wie ich, hat Rückenprobleme bekommen. Er musste mehrmals operiert werden. Von seinem Betrieb wurde er abgemeldet, weil die einen Ersatz brauchten, der Betrieb muss ja funktionieren. Die Krankenkasse bezahlt nach der Abmeldung noch einen Monat, dann ist es aus. Alle weiteren Kosten muss der Freund selbst übernehmen. Ich weiß nicht, wie er das macht, er kann ja derzeit nicht arbeiten.

Wenn ich auf einem Spielplatz bin und andere Kinder und schwangere Frauen sehe, kommt bei mir in letzter Zeit Bitterkeit auf: Meine Frau und ich arbeiten hier seit 15 Jahren und das bedeutet in der Hauptsaison zweieinhalb Monate durchhalten, ohne einen freien Tag. Wir zahlen hier Steuern und doch ist unser Status soviel schlechter als der jedes Flüchtlings. Meine Frau hat bis zum letzten Tag gearbeitet und nach der Geburt keine Karenz bekommen. Wir haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe, unser Kind lebt hier halb illegal mit uns. Wir haben kein Recht auf Niederlassung, wir können keine Staatsbürgerschaft beantragen ohne Hauptwohnsitz.

Wenn ich mit Freunden spreche, die nach mir aus meiner Heimat weggegangen sind, nach Italien oder Deutschland oder in andere EU-Staaten, die haben alle schon längst Niederlassungspapiere erhalten. Und die sagen zu mir: Das gibt es doch nicht, du bist schon länger in Österreich als ich in Italien oder Deutschland. Aber was soll ich machen? In Österreich werden die Gesetze ständig verändert, aber immer gibt es andere Auflagen, die verhindern, dass sich die rechtliche Situation für Saisoniers wie meine Familie und mich grundlegend verbessert. Dabei möchte ich hier einfach nur wie alle normalen Leute mit meiner Familie leben können.

                                                                                 10.12.2013

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