Projekte   Plattform-Projekte   MIGRATIONSGESCHICHTEN  Frank aus Deutschland

Frank , 43: Der Arbeitgeber des deutschen Physikers fragte an, ob er für die Firma einige Jahre in Österreich arbeiten wollte. Das Leben als Expat im Rahmen einer internationalen Entsendung war mit vielen Privilegien verbunden. Mittlerweile hat er lokalisiert.

Mein zweites Kind war noch kein Jahr alt, als mein Arbeitgeber mich 2003 fragte, ob ich nicht ein paar Jahre aus Deutschland wegziehen und in Österreich arbeiten wollte. Das Angebot war beruflich mit einem Aufstieg verbunden und der Umzug war für meine Familie und mich wegen des Expat-Status mit vielen Privilegien verbunden. Was mich aber am meisten reizte war die Aussicht für die Firma etwas Neues aufbauen zu können. 2007 gingen meine Familie und ich mit einer Folgeentsendung für zwei Jahre in die USA. Seit der Rückkehr nach Europa leben wir wieder in Österreich, wo ich nun einen lokalen Vertrag habe.

Zu Villach als Lebensmittelpunkt hatten meine Frau und ich 2003 durchaus gemischte Gefühle, nicht weil es in Österreich liegt, sondern weil es eine Kleinstadt ist und wir damals in der Großstadt München gelebt haben, dessen kulturelles Angebot wir intensiv genutzt haben. Wir hatten einen guten Freundeskreis und - was für eine Familie mit kleinen Kindern attraktiv ist - eine Tante meiner Frau lebte vor Ort, die Schwiegereltern nicht zu weit weg. Auch war klar, dass die beruflichen Möglichkeiten meiner Frau, die Kunsthistorikerin ist, in Villach auf Eis liegen würden.

Das einzige was ich an diesem internationalen Umzug als kompliziert in Erinnerung habe war das „Umtypisieren“ meines Autos. Davon abgesehen habe ich keinen besonderen Unterschied zu unseren vorherigen Umzügen innerhalb Deutschlands wahrgenommen. Mein Arbeitgeber hat mich gut unterstützt rund um die Wohnungssuche, den Umzug und alle Behördengänge. Da meine Beschäftigung in Österreich im Rahmen einer internationalen Entsendung stattfand, konnte ich im deutschen Rentenversicherungssystem verbleiben und hatte eine weltweit gültige private Krankenversicherung. Ich hatte Auslandszuschläge auf mein Einkommen und einen vom Arbeitgeber bezahlten Steuerberater.

Diese Privilegien fielen weg als ich 2009 auf einen lokalen Vertrag umstieg. Damals ging es auch darum zu entscheiden, ob wir aus den USA nach München oder Villach zurückkehren sollen. Es waren dann primär Gründe aus dem privaten Bereich, die den Ausschlag für Villach gegeben haben, etwa das soziale Umfeld, das wir hier mittlerweile aufgebaut hatten. Auch haben wir den hohen Freizeitwert und die kurzen Wege über die Jahre zu schätzen gelernt.

Ausschlaggebend für Villach war 2009 aber letztlich die schulische Situation. Denn je älter die Kinder sind, desto mehr Probleme gibt das bei internationalen Umzügen. Als wir aus den USA zurückkamen, stand bei unserem älteren Sohn der Wechsel auf die höhere Schule an. Wären wir nach München zurückgekehrt, wäre es sehr schwierig gewesen ihn an einem Gymnasium unterzubringen. Hier in Villach waren die Schulen deutlich zugänglicher. Der bilingualen Zweiges am Gymnasium St. Martin war zudem eine gute Möglichkeit, in der englischen Sprache eine Kontinuität zu erhalten.

Ich persönlich habe in Villach immer gute Bedingungen vorgefunden um mein Leben im Rahmen meiner Möglichkeiten zu gestalten. Das einzige was mir einfällt, wie man es für „Zugereiste“ einfacher machen kann sich zurechtzufinden, wäre das online-Informationsangebot zu verbessern. Einfaches Beispiel: Die Busfahrpläne sind ohne einschlägige Ortskenntnis nicht zu verstehen und online kaum zu finden.

Als Deutscher fühle ich mich in Österreich nur als „halber“ Ausländer. Z.B. muss ich meine österreichischen Kollegen manchmal daran erinnern, dass ich auch Ausländer bin, wenn über Ausländerpolitik gesprochen wird. Auch die Tatsache, dass ich in Österreich nicht wählen darf, ist vielen Österreichern im ersten Moment nicht klar. Andererseits werde ich, sobald ich den Mund aufmache, sofort als Deutscher erkannt, und in einem Wirtshaus auch mal mit „einen schönen Urlaub noch“ verabschiedet.

Insgesamt denke ich, dass die Gesellschaft hier in Kärnten aufgrund der starken Sesshaftigkeit eher geschlossen ist, gerade im ländlichen Raum. Im Wahlkampf nehme ich mit Betroffenheit die mehr oder weniger offen ausländerfeindlichen Wahlplakate wahr. Zum einen da ich auch Ausländer bin, zum anderen da ich viele ausländische Freunde und Arbeitskollegen habe, die ich sehr schätze. In meiner Firma geht es sehr international zu. Natürlich habe ich viel Kontakt zu Kollegen aus Österreich aber auch aus vielen anderen Ländern. Unsere Geschäftssprache ist Englisch.

Ich glaube nicht, dass ich mich um die österreichische Staatsangehörigkeit bewerben werde. Außer dem Wahlrecht hat meine Staatsangehörigkeit für mich keine Konsequenz im täglichen Leben. Ich fühle mich aber auch als Deutscher. Ich halte zur Deutschen Fußball-Nationalmannschaft und bin stolz auf Goethe, Gauss und Planck. Außerdem werde ich aufgrund meines (nicht-) Dialektes auch immer als solcher wahrgenommen werden. Deshalb finde ich passt meine Staatsangehörigkeit auch zu mir.                                            09.12.2013