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Marie CHEDJOU, 41: Die Lehrerin und sechsfache Mutter aus Kamerun stand mit beiden Beinen im Leben, während ihr Mann in Europa seine wissenschaftliche Karriere verfolgte. Nach Österreich kam sie, um die Familie nach Jahren der Trennung wieder zusammenzuführen.  

Jahrelang kam es mir gar nicht in den Sinn, warum ich meine Arbeit in Kamerun aufgeben sollte, um hinter meinem Mann zu stehen. 12 Jahre lang schon unterrichtete ich an als Lehrerin an einer Pädagogischen Schule. In diese Zeit fielen auch die Geburten meiner sechs Kinder. Aber das war kein Problem. Ich war nach der Geburt drei Monate zu Hause, danach habe ich mit meinem Chef einen Tagesablauf geplant, der es mir ermöglichte Stillen und Arbeit unter einen Hut zu bringen. In Kamerun ist das normal, da haben die Frauen viele Kinder. Auch war mein Gehalt gut genug, dass ich eine Hilfe anstellen konnte. Die kümmerte sich um den Haushalt und die Kinder.  

Mein Mann ist in der Forschung tätig und seine Forschungsstipendien haben ihn nach Italien, Frankreich, Deutschland und Österreich geführt. Er kam nur zu Besuch, vielleicht zweimal im Jahr. Das war einfach so und hat für mich gut funktioniert, weil ich immer beschäftigt war; ich hatte keine Langeweile um auf komische Gedanken zu kommen. Erst spät habe ich verstanden, dass das für meinen Mann auf Dauer eine Belastung war, dass er sich nach einem normalen Familienleben sehnte. Also ging ich doch. Seit drei Jahren leben wir jetzt alle zusammen in Klagenfurt. Unter der Woche verbringt mein Mann viel Zeit an der Uni, da sehen wir ihn wenig. Anders an den Wochenenden, da frühstücken wir gemeinsam und gehen mit den Kindern ein bisschen spazieren.  

Die Kinder haben sich schnell angepasst, sie lernen alles schnell. In Kamerun haben sie eine gute Basis für ihre Ausbildung erhalten. Sie waren immer gut und ich habe immer viel für sie gemacht. Jetzt kann ich die Sprache nicht und kann meinen Kindern nicht helfen. Aber ich hatte das alles vorab schon bedacht, für mich war das hier alles keine Überraschung. Ich ging anfangs nie ohne Wörterbuch aus dem Haus; ein Wort Französisch, ein Wort Englisch, ein Wort im Wörterbuch auf Deutsch, so habe ich mich durch die ersten Wochen gekämpft. Mittlerweile habe ich in Deutsch die B1 Prüfung abgelegt und möchte einen B2 Kurs besuchen, denn der ist für einen Ausländer wie mich die Voraussetzung, dass ich wieder mit Kindern arbeiten oder nochmals an die Uni gehen kann. Aber der B2-Kurs wird nur an der Uni angeboten und ist richtig teuer.  

Überhaupt ist unser ganzes Leben hier so teuer! Wir brauchen viel Geld für die Miete, dann mussten wir den kompletten Hausstand neu anschaffen - für eine achtköpfige Familie geht das ganz schön ins Geld! Vor allem aber lasten die hohen Kosten für unsere Aufenthaltsbewilligungen auf unseren Schultern: Die Erstanträge für die Rot-Weiß-Rot Karte Plus können nämlich nur persönlich bei den zuständigen österreichischen Botschaften oder Konsulaten im Ausland gestellt werden. Das war in unserem Fall in Nigeria, weil es in Kamerun keine Vertretung gibt. Die Reisekosten und Reisespesen für uns acht schlugen ordentlich zu Buche, diese Schulden abzubauen schmälert unser verfügbares Budget zusätzlich. Doch weil wir uns noch keine 5 Jahre in Österreich aufhalten, stehen uns keine Leistungen aus der Sozialkasse zu, wie etwa Wohnbeihilfen. Das kann ich nicht immer nachvollziehen.

Aber ich will nicht alles verteufeln, einige Dinge sind hier besser sind als in meiner Heimat Kamerun: Das Schulsystem steht allen gleichermaßen offen, egal ob reich oder arm. Genauso ist es mit dem Gesundheitssystem. Hier gibt es eine Versicherung und das ist etwas Gutes, denn bei uns gibt es ohne Geld keine medizinische Versorgung. Die Sicherheit ist hier auch eine Große.  

Als Schwarze werde ich hier eher als "Sehenswürdigkeit" wahrgenommen. Die Menschen sind sehr neugierig, stellen viele Fragen, vor allem, wie ich das alleine schaffe mit den sechs Kindern. Aber das ist nicht leicht. Früher hatte ich eine Hilfe im Haushalt. Jetzt muss ich alles selbst machen, Boden wischen, waschen, bügeln, kochen, alles. Außerdem arbeite ich wenn möglich, weil wir auf jeden Cent angewiesen sind. Bis jetzt waren es lauter kurze, befristete Verträge. Im Hort (Nachmittagsbetreung) hatte ich super Beurteilungen, deswegen hat mit der AMS vor einem Jahr eine Blockausbildung für die Hortbetreuung angeboten. Ich musste absagen, denn ich hatte damals niemanden, der auf die Kinder aufgepasst hätte. Nun habe ich seit kurzem ein Aupair aus Kamerun, nur wird diese Ausbildung nicht jedes Jahr angeboten. Leider. Aber mit Kindern würde ich schon gerne wieder arbeiten.  

Man kann nicht alles haben, das habe ich gewusst. Und irgendwie geht es. Und wenn ich so schaue, habe ich nach diesen drei Jahren schon einiges erreicht. Deshalb sage ich immer, es wird gehen. Du kannst nicht alles auf einen Tag haben. Du musst kämpfen, Marie!   22.11.2013

Nun möchte ich dem Hilfswerk, dem Jugendamt und der Projektgruppe Frauen von Klagenfurt für ihre Unterstützung danken.                                                            

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