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Delfina Krassnik, 59: Die studierte Bauingenieurin aus den Philippinen hat in zweiter Ehe einen Österreicher geheiratet, für den sie in ihrer Heimat alles aufgab. Die kulturellen Umstellungen sind groß; der Druck schnell Deutsch zu lernen lastet schwer, denn davon hängt die Bewilligung der Verlängerung ihres Aufenthaltstitels als ‘Familienangehörige’ ab.

Eigentlich hatte ich in den Philippinen alles erreicht, was ich mir für mein Leben immer gewünscht hatte: Ich hatte Arbeit, ein eigenes Auto, ein eigenes Haus, einen Mann, der meine große Liebe war, und wir hatten eine Tochter, der wir die bestmögliche Ausbildung zukommen ließen. Aber dann erkrankte mein Mann an Krebs und um seine Therapien bezahlen zu können, nahm ich einen Job als Lehrerin in einer internationalen Schule an, weit weg von der Familie. Als mein Mann starb und meine Tochter nur wenig später heiratete, fühlte ich mich plötzlich sehr einsam und fiel in ein Loch.

In dieser Zeit vermittelte mir meine Schwester, die in Hamburg lebt, die Email-Adresse eines älteren Mannes aus Österreich, der eine Partnerin aus den Philippinen suchte. Ich wollte das nicht, ich brauchte das nicht, warum sollte ich heiraten? Aber meine Schwester meinte, das ist nur ein Gesprächspartner und dem habe ich zugestimmt und so fing alles an. Wir haben ein paar kurze Emails ausgetauscht und dann ein Jahr geskypt. Kurze danach hat er mir einen Antrag gemacht. Ich dachte, das ist alles Spaß und habe schalkhaft OK, OK geantwortet, ohne das alles wirklich ganz Ernst zu nehmen. Er wollte mich auch treffen und nochmals habe ich mehr aus Jux OK, OK geantwortet.

Ich bin tatsächlich im kommenden Jahr mit einer Schwester nach Europa geflogen, um dort lebende Schwestern von uns zu besuchen. Bei dieser Reise habe ich meinen Mann erstmals wirklich getroffen: Er und sein Sohn haben meine zwei Schwestern und mich in München abgeholt und zu sich nach Hause, nach Kärnten, gebracht. Mein erster Eindruck war Angst, ich habe nicht gedacht, dass ich diesen großen, 10 Jahre älteren Mann heiraten kann. Ich war hin- und hergerissen, was ich machen sollte. Wir blieben drei Tage.

Zurück auf den Philippinen, wollte mein Mann von mir wissen, ob ich ihn tatsächlich zum Mann nehmen wollte. Es dauerte noch weitere 10 Monate, bis ich nach Österreich kam. Mein erstes Visumansuchen wurde abgelehnt, weil ich innerhalb der letzten sechs Monate schon einmal in die EU eingereist bin.

Wenige Tage nach meiner Ankunft in Österreich war unser Hochzeitstermin festgesetzt. Aber ich weiß nicht, ob es Angst war. Denn ich wurde krank, träumte von meinem ersten Mann und meinen Eltern, die alle schon tot waren, und nun um mein Bett standen. Ich dachte, ich sollte sterben. In allem sah ich böse Zeichen Gottes, der vielleicht nicht wollte, dass ich diesen Mann heirate? An unserem Hochzeitstag kam ich kaum aus dem Bett. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, nur, dass ich mich nach der Zeremonie sehr bald von der Hochzeits-Gesellschaft zurückzog. Da hatte ich bereits 41 Grad Fieber. Mein Mann hat später die Hochzeitstorte alleine angeschnitten.

Seitdem gibt es so viele Umstellungen für mich, die Kultur, das Essen, die Sprache. Mein Mann dachte, dass ich automatisch bleiben kann, wenn wir verheiratet sind, aber dem ist nicht so. Also musste ich, kaum dass ich wieder gesund war, anfangen intensiv Deutsch zu lernen. Denn mein Visum war nur für ein halbes Jahr ausgestellt und die Verlängerung hing ab vom Bestehen der A1 Prüfung. Ich habe sie fehlerfrei bestanden, da gab es ein neues Problem: Mein philippinischer Pass war auf meinen alten Namen ausgestellt, ich hatte nun aber den Namen meines österreichischen Mannes angenommen. Wir haben es gerade noch rechtzeitig geschafft, alle Dokumente rechtzeitig bei der BH einzureichen.

Ich habe jetzt einen Aufenthaltstitel als Familienangehörige. Nach einem weiteren Jahr muss man die A2 Prüfung ablegen, damit man den Titel verlängern kann. Die habe ich mittlerweile auch schon abgelegt und wiederum mit Sehr Gut bestanden. Aber das war sehr anstrengend.

Ich habe meinen Mann gefragt: Warum sind eure Gesetze so streng für Ausländer? Warum hast du eine Ausländerin geheiratet? Du musst wissen, dass das alles nicht so einfach ist für Ausländer. Für uns ist ohnehin so vieles neu und ungewohnt und dann ist es nicht einfach Deutsch in so kurzer Zeit zu lernen. Wir werden teilweise strenger auf Deutschkenntnisse geprüft als andere MigrantInnen, die schon viel länger hier im Land sind. Aber mein Mann hat das auch nicht gewusst.

Wovon ich hingegen nichts ahnte, als ich nach Österreich heiratete, waren die gravierenden Veränderungen, die sich bald im Leben meiner Tochter auf den Philippinen ergeben sollten: Sie hatte mittlerweile ein Baby geboren und war, als das Kind einen Monat alt war, von ihrem Mann verlassen worden. Seither ist meine Tochter depressiv und brauchte meine Hilfe. Ich habe meinen Mann gebeten sie zu unterstützen und er hat ihr Geld geschickt. Doch auf Dauer bin ich es, die eine Arbeit finden muss, um meiner Tochter und meinem Enkel finanziell unter die Arme zu greifen.

Beim AMS haben sie gesagt: Du siehst zwar noch jung aus, aber dein Geburtsdatum kann nicht lügen. Momentan nehme ich teil an einem Programm namens „Durchstarten“, ich wurde als einzige Ausländerin ausgewählt, trotz meiner 59 Jahre! Ich würde ich alles machen, um arbeiten zu können: Ich habe Bauingenieurwesen studiert und geschneidert, um mein Studium zu finanzieren. Nach der Uni habe ich als Geophysikerin gearbeitet, an einer internationalen Schule  als Lehrerin. Aber ich würde auch als Küchenhelferin arbeiten, in der Altenpflege, egal, für meine Tochter würde ich alles tun. Denn ich will nicht die Beziehung zu meinem Mann belasten, er ist ein guter Mann.

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