Begabungspotenziale – verschüttet unter Sprachbarrieren?

  • Kempter 2012 Begabungspotenziale.pdfKempter Ulrike : Begabungspotenziale – verschüttet unter Sprachbarrieren? Warum uns der Zusammenhang zwischen Spracherwerb und Begabungsförderung bei Kindern mit Migrationshintergrund besonders interessieren sollte. (ÖZBF, 2012 | 7 S.) (pdf) Begabungspotenziale – verschüttet unter Sprachbarrieren? Warum uns der Zusammenhang zwischen Spracherwerb und Be-gabungsförderung bei Kindern mit Migrationshintergrund beson-ders interessieren sollte Veröffentlicht in: news&science. Begabtenförderung und Begabungsforschung. ÖZBF, Nr. 30/Ausgabe 1, 2012, S. 24-29. Im folgenden Artikel soll einerseits deutlich gemacht werden, wie sehr eine mangelhafte Beherrschung der Sprache des Einwanderungslandes als Barriere für die Förderung von Begabungen bei Migrantinnen und Migranten wirkt, dass aber andererseits die Beherr-schung der Zweitsprache nicht nur unter linguistischen, sondern auch unter kulturellen Gesichtspunkten gesehen werden soll. Derzeit dominiert in der öffentlichen Diskussion der gesellschaftliche Aspekt, in dem der Grad der Sprachkompetenz als Maßstab für Integrationsfähigkeit und -willigkeit gesehen wird. Diese Haltung verstellt jedoch weitgehend den Blick auf die verborgenen Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund. Sprachkompetenz als Maßstab für Bildungschance Als „monolingualen Habitus“ bezeichnet Gogolin (1994) die Tatsache, dass man in Deutschland – und sehr viel anders ist die Situation auch in Österreich nicht (Gombos, 2008, S. 10f) – davon ausgeht, dass Staaten „normalerweise“ einsprachig sind oder dass es zumindest eine Sprache der Mehrheit und eventuelle Minderheitensprachen in einem Staat gibt. Dabei ist die Majoritätssprache mit Prestige ausgestattet, während die Spra-che(n) der Minderheiten nur als beschränkt „wertvoll“ gesehen werden. Den in den Ka-non der üblichen Schulfächer aufgenommenen Sprachen wird ein kultureller und wirt-schaftlicher Wert zuerkannt, persönliche Mehrsprachigkeit durch Migrationshintergrund wird hingegen keineswegs immer gesellschaftlich anerkannt. Die diskriminierte Stellung mancher Sprachen zeigt sich auch darin, dass nur einige Schulen in Österreich Minderhei-tensprachen als Sonderunterricht anbieten, wobei sich diese Angebote meist an Kinder mit Migrationshintergrund1 richten, die dann in ihrer Muttersprache maturieren können. Schule und andere Bildungsinstitutionen trachten tendenziell danach, möglichst homoge-ne Lerngruppen zu bilden. Ein wesentliches Merkmal einer solchen Homogenität stellt die einheitliche Unterrichtssprache dar. Häufig wird durch den monolingualen Habitus das Ausmaß der Sprachkompetenz mit dem Lern- und Leistungsvermögen der Lernenden in Verbindung gebracht, was sich sowohl als diskriminierend als auch als kontraproduktiv erweisen kann, denn nach wie vor „gilt die Beherrschung der deutschen Sprache weiter-hin unhinterfragt als Schlüssel zum Bildungserfolg“. (Stamm, 2009, S. 11) Gerade diese Diskriminierungserfahrungen verursachen bei Kindern mit Migrationshintergrund aber schlechtere Leistungen beim Erwerb der Zweitsprache, denn auch hier gilt: „Der Faktor Selbstvertrauen ist entscheidender als der Faktor Motivation.“ (Brizic, 2007, S. 302) Baur (2001, S. 3) führt aus, dass mitunter die Meinung vertreten wird, eine sprachliche Integration würde erfolgreicher verlaufen, wenn die Kinder sich mehr auf die Zweitspra-che Deutsch konzentrierten. Dahinter steht einerseits die Vorstellung, „dass die Her-kunftssprache für das Kind und für die Gesellschaft keinen förderungswürdigen Wert darstelle, andererseits auch die pädagogisch-fürsorgliche Meinung, dass das Kind durch die zwei Sprachen belastet und überfordert würde. Häufig gehen beide Vorstellungen eine Allianz ein: Die Herkunftssprache wird für das Kind wertlos, wenn sie für das Wichtigere, nämlich das Erlernen der deutschen Sprache, als Hindernis vermittelt wird“.