Mehrsprachigkeit in Sprachenporträts und Sprachenbiographien von Migrantinnen und Migranten

  • Krumm Hans-Juergen Mehrsprachigkeit in Sprachenportrats und Sprachenbiographien von Migrantinnen und Migranten.pdfKrumm Hans-Jürgen : Mehrsprachigkeit in Sprachenporträts und Sprachenbiographien von Migrantinnen und Migranten (AkDaF Rundbrief 61, 2010 | 9 S.) (pdf) Mehrsprachigkeit in Sprachenporträts und Sprachenbiographien von Migrantinnen und Migranten MEHRSPRACHIGKEIT IN SPRACHENPORTRÄTS UND SPRACHENBIOGRAPHIEN VON MIGRANTINNEN UND MIGRANTEN Hans-Jürgen Krumm Spracherwerb und Sprachgebrauch vollziehen sich in konkreten sozialen und historischbiographischen Situationen, das heisst, in einem Wechselspiel von individuellen, vielfach emotional bestimmten Handlungsinitiativen und gesellschaftlichen Strukturen, die solche Handlungsinitiativen unterstützen oder erschweren. Will man mehr darüber erfahren, wie Migrantinnen und Migranten Mehrsprachigkeit, Sprachwechsel, Sprachunterdrückung, Angebote oder – wie im Fall der staatlich verordneten Integrationskurse in Deutschland und Österreich – Zwang und Sanktionen, eine neue Sprache zu lernen, erfahren und darauf reagieren, so ist in meinen Augen ein sprachenbiographischer Zugang erforderlich, der die jeweiligen Konzepte der Sprachidentität in einem lebensgeschichtlichen Zusammenhang aus der Sicht der Migrantinnen und Migranten selbst analysiert. 1. Sprachenporträts als Zugang zu Sprachenbiographien Den Einstieg in sprachenbiographisches Erzählen bildet in der Regel ein Sprachenporträt, bei dem die eigenen Sprachen mit je verschiedenen Farben in Silhouetten hineingemalt werden (Krumm 2001), eine Aktivität, die nicht nur Kinder, sondern – eventuell nach kurzem Zögern auch Erwachsene mit grossem Eifer ausführen und die in der Regel dazu führt, dass fast alle ihr Porträt beschriften bzw. etwas dazu erzählen wollen. Das Sprachenporträt erlaubt den Betroffenen einen ganzheitlichen Blick auf ihre Sprachen die Farben bringen Emotion ins Spiel, die Silhouetten Körperlichkeit. Bei K. zum Beispiel, einer 25jährigen Wiener Türkin, führte das Ausmalen des Sprachenporträts dazu, dass sie mehr und mehr über ihre Sprachen und den Sprachgebrauch nachdachte und immer mehr dazu schreiben und sagen wollte. Insofern bilden die Sprachenporträts den ersten Zugang zur verdrängten oder unterdrückten Sprachenbiographie – werden sie in der Klasse oder Lerngruppe angefertigt, so entsteht jenes Biotop, in dem über Sprachen wieder gesprochen werden kann.